Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich
Die Vermessung des Glaubens
Ramen, ich sage euch!
Wenn ich eines hoffentlich fernen Tages diese Welt verlassen muss, so werden all meine Seelen und meine feinstofflichen Anteile, die mit den Nudeligen Anhängseln des Fliegenden Spaghettimonsters in Verbindung stehen, zum Biervulkan mit frischem Bier und gesunden und schönen StripperInnen kommen. Daran glaube ich wirklich! Daran glaube ich bedingungslos, weil es im Heiligen Buche unseres Propheten Bobby Henderson (lasset uns Ihm huldigen) geschrieben steht [1]. Und es ist nicht angebracht, dass du, geehrter Leser, jetzt über meinen Glauben lachst. Viele Milliarden Menschen auf dieser Erde glauben daran, dass sie nach dem Tode in ein Jenseits ihrer Vorstellungen kommen werden, man sollte sie dafür nicht auslachen.
Ich glaube an das FSM, an den Biervulkan und an das Heilige Volk der Piraten und ich bin bereit, auf jede wissenschaftliche Art und Weise meinen Glauben überprüfen zu lassen! Ihr fragt euch nun sicher, wie man denn beweisen kann, dass eine Person einen wahrhaftigen Glauben hat. Ich meine, es gibt Scharlatane, die nur vorgeben, an etwas zu glauben, um andere Menschen zu beeinflussen und es gibt Leute, die wirklich an etwas glauben und möglicherweise auch andere Menschen beeinflussen wollen. Wie kann man feststellen, dass jemand glaubt, also bezüglich seines Glaubens nicht lügt?
Lasst uns einen kleinen Ausflug in die Neurotheologie machen. Man weiß, dass Menschen, die an einer Temporallappenepilepsie leiden, Visionen haben können bzw. spirituelle Erfahrungen machen können.
Epilepsie und Visionen
Es kann sein, dass einige Persönlichkeiten aus der Welt der Religionen Epileptiker waren oder zumindest einen epileptischen Anfall gehabt haben könnten, der ihre Erfahrungen neurologisch erklären könnte.
Außerdem hatte Moses sehr schlechte Augen und konnte den brennenden Dornenbusch kaum erkennen.
Der urchristliche Missionar und Theologe Paulus von Tarsus berichtete oft und gerne von seinem Damaskuserlebnis, bei dem der auferstandene Jesus Christus ihn vom Verfolger der Urchristen zum Apostel der Völker berufen habe. Nun, es besteht die Möglichkeit, dass Jesus aus dem Jenseits zu ihm gesprochen hat, aber meiner Meinung nach ist es viel wahrscheinlicher, dass Paulus bei seiner Reise nach Damaskus einen epileptischen Anfall erlitt, als er in die Sonne blickte. Er stürzte vom Pferd und hatte anschließend Visionen. Mediziner untersuchten seinen Zustand anhand der verfügbaren Aufzeichnungen und fanden heraus, dass die Hypothese einer Epilepsieerkrankung Paulus’ eine vernünftige Hypothese ist [2]. Die Autoren der Bibel interpretierten dieses Ereignis jedoch als ein „mystisches Erlebnis“ und es folgte seine Berufung zum Völkerapostel. Paulus sprach auch oft davon, dass er an einem „Stachel im Fleisch“ leide, was Generationen von Bibelforscheren zu unzähligen Theorien darüber verleitete: Malaria, eine Augenkrankheit, Schuldgefühle für die Verfolgung der Christen oder seine sexuelle Abhängigkeit. Auch dafür ist die Epilepsiehypothese eine Gute.
Mohammed, der angeblich letzte Prophet, den der abrahamitische Gott zu uns auf die Erde sandte, wo er den Islam begründete, litt von Kindheit an an einer Epilepsie. Sein erster Biograf Muhammad Ibn Ishāq interpretierte dieses Leiden als die Gabe, mit dem Erzengel Gabriel sprechen zu können und ließ ihn so zum Propheten werden. Es kann aber auch sein, dass Mohammed die Betreuung von einem „alten Weib“, die er bei Anfällen erhielt, lieber durch Einsamkeit ersetzen wollte und sich so den Worten des Erzengels zuwandte. Der russische Schriftsteller Fjodor M. Dostojewski, der selbst Epileptiker war, berichtete einst von einem seiner Anfälle und sagte über die Aufzeichnungen im Koran: „Mohammed versichert in seinem Koran, dass er das Paradies erblickt habe… Alle Neunmalklugen sind der Auffassung, er sei ein Lügner und Betrüger. Nein, nein, er hat nicht gelogen. Er ist tatsächlich ins Paradies entrückt worden, und zwar während einer seiner epileptischen Anfälle, unter denen er ebenso wie ich litt. Ich vermag nicht zu sagen, ob diese Seligkeit Sekunden, Stunden oder Monate währt, aber, auf mein Wort, ich würde sie nicht für alle irdischen Freuden eintauschen.“ Für einen Muslim mag das eine kaum erträgliche Erklärung sein, jedoch spricht nichts dagegen.
Einer der erfolgreichsten religiösen Scharlatane, Joseph Smith, der Gründer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und Prophet des Mormonentums, war eventuell auch Epileptiker [3], der Visionen hatte und diese als Gotteserlebnis empfand. Auch sein Großvater und seine Mutter hatten göttliche Visionen. In jungen Jahren behauptete er schon, die Fähigkeit zu haben, mithilfe eines „Sehersteins“ (‚seer stone‘) verborgene Schätze aufspüren zu können. Dafür steckte er seinen Seherstein in einen weißen Zylinderhut und legte los. Man nannte ihn „Peepstone Joe“.
Mit diesem Ausflug in die religiöse Scharlatanerie will ich jedoch keinen Epileptiker beleidigen! Kehren wir nun zurück zur Neurologie.
Der Spaghettimonsterhelm
Ich muss nun bereit sein zu fragen, ob meine Propheten oder ich selbst auch an einer neurologischen Erkrankung leiden. Es besteht jedoch weder bei Bobby (geheiligt sei Sein Name) noch bei mir ein dementsprechender Verdacht. Außerdem ist bei beiden von uns eine detaillierte neurologische Untersuchung möglich, da wir noch am Leben sind.
Die Neurologie hat viel über das Gehirn gelernt, indem sie Epilepsiepatienten oder andere neurologische Fälle studierte. Man weiß also, dass eine Läsion im Temporallappen visuelle Eindrücke erzeugen kann, die man als eine spirituelle Erscheinung interpretieren kann. Man fragt sich, ob man auch bei Gesunden Visionen, religiöse Ekstase und Engelserscheinungen erzeugen kann, indem man den Temporallappen auf irgend eine Art und Weise stimuliert. Der kanadische Neurologe Michael A. Persinger experimentierte mit extrem schwachen Magnetfeldern, die außen am Kopf von Probanden erzeugt wurden. Die Versuchsanordnung nannte man zuerst Koren helmet nach seinem Erfinder Stanley Koren und später wurde er unter dem Namen Spaghettimonsterhelm bekannt.
Bei angeblich 80% der insgesamt an die 1000 Probanden stellte sich durch das Anwenden des Helmes ein Gefühl einer „Präsenz einer höheren Wirklichkeit“ ein. Viele seiner Probanden, die religiös waren, sprachen davon, von Gott berührt worden zu sein, wohingegen atheistische Probanden sich mit dem Universum verbunden fühlten, was man wiederum mit dem Netzwerk Seiner Nudeligen Anhängsel erklären könnte. Unser Monster hat nichts gegen Atheisten. Laut Persinger hat der Helm bei manchen Teilnehmern auch Visionen von dämonischen Wesen, außerkörperliche Erfahrungen, und Visionen von anderen Realitäten verursacht. Der britische Zoologe, Evolutionsbiologe und bekennende Atheist Richard Dawkins saß auch einmal unter dem Gotteshelm. Er berichtete enttäuscht, dass er keinerlei Präsenzen irgend einer Art bemerkt hätte, sondern sich nur „slightly dizzy“ und „quite strange“ fühlte. Persinger erklärt dies damit, dass Dawkins bei einem Fragebogentest zur Feststellung der „temporal lobe sensitivity“ ohnehin nur unterdurchschnittliche Sensitivität zeigte.
Die Berichte der Probanden erregten mediales Aufsehen und das Experiment wurde in mehreren Dokumentarfilmen vorgestellt. Das Ziel Persingers war es, die neurologischen Korrelate von Religion und Spiritualität zu finden. Er hat Glaube und mystische Erfahrung experimentell untersucht, indem er die temporalen Regionen magnetisch stimulierte. Lasst uns nun die technische Vorrichtung näher betrachten. Persingers Helm generiert ein sehr schwaches Magnetfeld, das viel schwächer als das Feld eines Kühlschrankmagneten ist. Das Feld eines Magneten ist zeitlich konstant, beim Gotteshelm folgt die Feldstärke aber einem bestimmten zeitlichen Muster, einer „komplexen Wellenform“, die von einem Computer generiert wird. Die Sitzungen hat man in einer angenehmen und reizarmen Umgebung durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Probanden sich entspannen können.
Persinger will also mittels technischer Hilfsmittel das Gefühl der Präsenz einer höheren Wesenheit erzeugen. Ein schwedischer Kollege wiederholte Persingers Versuche und er fügte auch eine Placebogruppe hinzu. Er teilte die Probanden also in zwei Hälften; der Helm wurde den Teilnehmern beider Gruppen aufgesetzt, aber nur bei der ersten Gruppe wurde er auch eingeschaltet. Die Probanden beider Gruppen berichteten gleich häufig von spirituellen Erlebnissen. Es gelang bisher nicht, Persingers Ergebnisse zu replizieren. Es ist, meiner Meinung nach, a-priori zweifelhaft, ob dieses extrem schwache Magnetfeld überhaupt einen Effekt auf ein Gehirn haben kann. Es scheint also, als ob der Gotteshelm in seiner momentanen Konfiguration nutzlos sei. Es reicht wohl auch, den Probanden eine kaputte Trockenhaube überzustülpen und ihnen zu suggerieren, dass man ihr Gehirn stimulieren werde, um spirituelle Erfahrungen anzuregen. Ein Ambiente mit Kerzen, Düften, Stille oder sanften Geräuschen und anderen Details mag den Effekt nochmals steigern.
Transkranielle Magnetstimulation
Persingers Idee, die Temporallappen von außen magnetisch zu stimulieren, war aber gut. Man hat schon Ende des 19. Jhdts. damit experimentiert, das Gehirn von außen, also transkraniell, magnetisch zu stimulieren. Der französische Arzt und Physiker Jacques-Arsène d’Arsonval nutzte Starkstromspulen, wie sie in damaligen Kraftwerken benutzt wurden, um seinen eigenen und die Köpfe seiner Probanden magnetisch zu stimulieren. Er konnte beweisen, dass ein sich veränderndes Magnetfeld im menschlichen Gewebe einen Stromfluss induziert. Die Probanden sahen lebhafte Lichtwahrnehmungen, die jedoch nicht optisch, sondern magnetisch ausgelöst wurden. Das Magnetfeld wirkte auf das Auge, den Sehnerv oder direkt auf den visuellen Cortex im Gehirn ein. Manche Probanden erlitten auch Kreislaufstörungen, Schwindelattacken oder einen Bewusstseinsverlust. Aufbauend auf diesen Experimenten wurde 1985 die transkranielle Magnetstimulation (TMS) entwickelt. Man verwendet dafür große Kondensatoren, die die Elektrizität für einen kurzen, aber starken Stromstoß zur Verfügung stellen können, der dann einen starken Magnetimpuls erzeugt. Man hat gelernt, das Magnetfeld auf einen kleinen Teil der Großhirnrinde zu konzentrieren. Diese Behandlungsmethode ist heute unerlässlich und kann nahezu ohne Unannehmlichkeiten für den Patienten erfolgen. Man kann auch TMS-Experimente gefahrlos durchführen. Bei der TMS verwendet man Magnetfelder, die um eine Million mal stärker sind, als die des Gotteshelmes.
Persinger und die allermeisten anderen Neurowissenschaftler sind der Meinung, dass spirituelle bzw. paranormale Erfahrungen durch rein physikalische bzw. materielle Mechanismen beschrieben werden können. Man weiß heute, dass die Struktur und die Funktion des Gehirnes solche Erfahrungen ermöglichen. Es scheint, als ob religiöse bzw. spirituelle Erfahrungen auf elekto-chemische Vorgänge im Gehirn zurückzuführen sind. Man könnte also meinen, dass die Götter, Gnome, Geister und das Nudelige Monster im Gehirn eines Gläubigen wohnen. Sind die Götter lediglich ein Artefakt des Gehirns?
Aber auch die modernste Neurotheologie kann nicht beweisen, dass es das Fliegende Spaghettimonster nicht gibt. Auch wenn Persinger recht hat, und alle religiösen Erfahrungen sich als ein kompliziertes Wechselspiel der Neuronen erklären lassen, dann kann Es immer noch existieren und mit uns feinstofflich interagieren. Vielleicht ist die transkranielle Magnetstimulation nur ein Weg, um die Verbindung zu seinen Nudeligen Anhängsel herzustellen. Ein Weg, den Es uns aufgezeigt hat. Vielleicht war es aber nur einem kleinen Teil der Probanden in Persingers Labor gestattet, mit Ihm zu kommunizieren und alles andere war nur Theater, das Es veranstaltet hat um uns zu ärgern.
Fazit
Wie auch immer. Heute kann man Gotteshelme und ähnliche Geräte kommerziell erwerben, um sich zu Hause auf die Suche nach seinen Göttern zu begeben. Morgen schon wird man spirituelle High-Tec-Trips und magische Brain-Erlebnisse kommerziell verfügbar machen können. Zwielichtige Anbieter können bald mit dem Versprechen eines Gotteserlebnisses noch mehr Kunden gewinnen und noch mehr Geld scheffeln. Als ob der Scharlataneriemarkt nicht schon genug wucherte.
Wenn also Christen Jesus, Maria, Engel oder dem abrahamitischen Gott begegnen können, wenn willige Kunden instant-Erleuchtung mit Wellnesscharakter aber ohne Erkenntniswert haben können, so kann mir auch das Nudelige Monster begegnen! Ich bin jederzeit bereit, meinen rechten Glauben analysieren zu lassen. Ich bin jederzeit bereit, bei einer Studie mitzumachen, bei der Punkte in meiner temporalen Region z. B. per TMS stimuliert werden, aufdass spirituelle Erlebnisse ausgelöst werden, um meine Götter nachzuweisen, wie auch anderer Leute Götter nachgewiesen werden können.
Ramen.
Wer von Euch ist auch beteit, seinen Glauben validieren zu lassen? Möglich ist es, technisch gesehen.
[1] Henderson, Bobby: Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters. München : Manhattan, 2007. – ISBN 3442546281
[2] Landsborough, D.: St Paul and temporal lobe epilepsy. In: Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 50 (1987), Juni, Nr. 6, S. 659–664
[3] Dewhurst, K. ; Beard, A. W.: Sudden religious conversions in temporal lobe epilepsy. In: Br J Psychiatry 117 (1970), November, Nr. 540, S. 497–507
Titelbild: Von KasugaHuang, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=680466
Hildegard von Bingen habe ihre Lichtschlangensichtungen und Auren-Visionen während und wegen Migräneattacken erlebt — das ist schon lange Teil des wissenschafltichen Diskurses. Aber der retrospektiven Diagnostik so den Böden unter den Füßen seifig und und rutschig zu machen, ist mir neu.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4103393/
Ja. Und sie war auch recht drogensüchtig. Ich sag nur Alraune….
Ramen, lieber Bruder, inspiriert durch dein unglaublich spannendes Gotteshauberl habe ich – der Jahreszeit angepasst – am Wochenende eine solche ausprobiert und unfassbar damit gescheitert…. Der volle Bericht demnächst auf diesem Kanal!