Vorbereitung auf die Enttaufung – Teil 1

Andächtig, liebe Geschwister im Glauben (und solche, die es noch werden wollen) habe ich letztens gelesen, dass Bruder Helmut sich in einem Akt catullischen Entsagungsaktionismus selbst enttaufte.

Ich bin ja, da muss ich mich outen, solchen Verweigerungsritualen gegenüber eigentlich kritisch eingestellt. Als habe die katholische Zwangsbemüßigung je irgendwas in mir erzeugt, wovon ich mich befreien müsse. Was – zumindest bei mir – gar nicht stimmt.

Dennoch finde ich Zauberverse in einer fremden, toten Sprache in Verbindung mit einem feierlichen “Helmut hat die Haare schön” schon sehr cool. Und wenn ich die Chance bekomme, sinnentleert mit Latein beklatscht zu werden, erinnert mich das nostalgisch an meinen hochgeschätzten Lateinlehrer Lorenz G., der mir dereinst den Weg zum Skeptizismus vor Befreiungsreligionen ebnete, und also passt alles gut zu einander und daher –>

Bereite ich mich nun spirituell darauf vor, bei unserem kommenden, pastafarischen Pow-Wow meine blonden Locken dem Enttaufungsfön unter den wüstenstürmenden Rüssel zu hängen.

Im ersten Schritt der Vorbereitung suchte ich die letzten verbliebenen Zeugnisse des zu annullierenden Ritus auf, analysierte und versah sie mit meiner Interpretation des Geschehenen.

Zu Anbeginn möchte ich vorausschicken, dass meine Taufpatin überzeugte Nihilistin, Kommunistin, also zur Aufzucht eines wackeren Christenkinds denkbar geeignet ausgesucht war. Mama stand seit jeher im kommerziellen Clinch mit den Frontschweinen der katholischen Kirche, und Papa knurrte stets leise, wenn ein Schwarzrock am Horizont auftauchte. Ich war also von kleinster Kleinheit an vor Aberglauben gut geschützt.

Warum sie mich dennoch in die Kirche geschleppt und beträufelt haben? “Des hod ma so ghobt daumois.” Na bitte, viele Leute haben Angst vor Nonkonformismus. Warum nicht auch meine Erzeuger? Ich will es ihnen nicht zum Vorwurf machen.

 

Ganz offensichtlich war diese ganze Angelegenheit eine Frauensache. Alle greifbaren Weibsbilder meines Clans schleppten den Neuankömmling festlichst geschmückt zur Lacke, die nach wer weiß was stank und vermutlich hygienisch sehr bedenklich war. Aber bekanntlich: Was einen nicht umbringt… Die Dunkelheit der Legende verschlang, was zur selben Zeit die Herren meines Clans trieben. Vielleicht lungerten sie ja vor dem Gotteshaus, weil es sich hier “um so eine Frauensache” handelte.

Das Foto macht auch deutlich: Der Täter bleibt unerkannt. Der Strudel der Zeit hat mir genommen, wer von kirchlicher Seite für diese rituellen Bebrausung verantwortlich zeichnet. Was mir, gelinde gesagt, auch völlig Topfen ist.

Danach ging es im festlich-bunten Zug nach Hause, wo’s Kindilein vor blühenden Büschen drapiert wurde. Mama hatte schon ihre ersten Zweifel, ob mich der überteuerte Schmus wohl verändert habe, und meine Taufpatin konnte sie dahingehend beruhigen.

Sodann wurde ich meiner (angeheirateten) Tante zur Schau gestellt, doch deren Blick bleibt eher in die Ferne gerichtet, als ob sie sich mit diesem Humbug gar nicht näher auseinandersetzen möchte.

Sehr auffällig auch: Eine direkte Auseinandersetzung mit Omi, der Mutter meiner Mutter, fehlt in diesem Almauftrieb. Sie saß vermutlich schräg gegenüber im Schatten des Kirschbaumes und wedelte den Fotografen mit den Worten: “Loß mi in Kraut mid dem Bleedsinn.” weg. Sie gehörte auch noch der Generation an, die glaubte, eine Fotokamera könne einem Menschen die Seele rauben.

Die Großaufnahme lässt erkennen: Mich hinterließ der Ausflug ins Dorfzentrum unbeeindruckt. Wichtiger war mir mein margeritenförmiger Lutschi und die wärmende Nähe des Familiendackels, dem ersten, guten Freund in frühen Kindertagen. Das ärmliche Ambiente meiner Kindheit erschreckt mich. Vielleicht empfanden es meine Eltern damals (vom Alltag übermannt) nicht so elend wie ich heute.

Fazit: In Großaufnahme bat mich der Fotograf um eine letzte Stellungnahme. Des Gesprochenen noch nicht mächtig, reduzierte ich meine Eindrücke auf zwei sehr eingängliche Gesten:

Diese Spurensuche zeigt: Es muss nicht allzu viel hinweg gefönt werden, denn offenbar hat mich meine Mutter – vorausblickend – an diesem Tag sehr gewissenhaft mit Baby Öl laminiert, auf dass die unhygienische Brühe von mir rückstandslos abpralle. Der frühkindliche Hang zu Metal-Rock lässt schließen, dass Schlimmeres, wie etwa religiöser Fanatismus, dadurch verhindert werden konnte.

 

 

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