Ramen, oh Ramen, meine spirituelle Gemeinde!

Ich muss euch mitteilen, was mir jüngst widerfahren ist. Aus Gründen der Toleranz und der Weltoffenheit ließ ich mich – gleich zwei mal – zu einem alternativen Bier-Wallfahrtsfest einladen. Ich habe alle Warnungen von Kollegen in den Wind geschlagen und habe zugesagt. Man soll ja weder Vorurteile noch Scheu haben. Als spiritueller Seelsorger, Forscher und Seefahrer war ich ja schon auf einer offiziellen Wallfahrt. Ob mein kürzlich erfolgreich abgeschlossener Ausflug jedoch auch offiziell als Wallfahrt anerkannt werden kann, ist fraglich.

So begab ich mich als Ethanologe auf das Grasfeld inmitten der Stadt, welche da liegt im südgermanischen Urwald, dort wo alles voller griechischer Farben (blau-weiss) ist.

Es galt herauszufinden, wie diese nichtintegrierbaren Eingeborenen, die in einem innereuropäischen Reservat gehalten werden, ihr Bier verehren. Sagen sie „oas-zwoa-gsuffa“ oder „oas-zwoa-drei-gsuffa“? Und der Sinn hinter dem Ganzen ist immer noch nicht ersichtlich.

Auf und da Kuah noch!
Es führt kein Weg dran vorbei.

Schon vormittags ist einigermaßen viel los. Man sieht traditionell gekleidete Jungs und Mädls sowie auch Menschen, die nur so tun, als ob sie traditionell gekleidet sind. Is ja alles gut und schön, peinlich wird es nur, wenn man Piefke im Dirndl oder in der Lederhosn erwischt, wie sie sich unter die Horde der Eingeborenen mischen wollen, es aber so jar nischt können, weil sie ihre Klappe nicht umprogrammieren können. Ich selbst ging in meiner spirituellen Schutzkleidung hin – auch die Toleranz hat Grenzen.

Ein Mittelrad.
Der Löwe, das urbayrische Tier. Zu finden in der Wildnis und auf der Wiesn.
Oh Bavaria, schau oba!
Das Promizelt. Da gehen nur Kapazunder wie ein andereas Gabeltier rein.

Nach einer Expedition durch das Reservat kam ich bei meiner finalen Lokation, genannt „Festzelt“, an, in der für mich ein Raum-Zeit-Slot gebucht war.

Das Normalozelt. Da gehen Priester wie ich rein.

Nun, es kam, angesichts der Tageszeit, zu keinen gröberen Exzessen. Frühere Besucher berichten oft, dass es leicht zu Schunkeleien etc. kommen kann. Davon kann ich jedoch nichts berichten. Dieser Tonkrug ging an mir vorüber. Um 16:30 wurden wir gebeten, die präallokierten Feierlichkeiten auf das Schnellste nach draußen zu verlagern.

Zwei Tage später wagte ich mich tiefer, viel tiefer, in das noch unbekannte Terrein hinein. Wir gingen dann auf de „Oide Wiesn“, eine Art Steinzeitpark im Steinzeitpark. Dort soll, auch den rezenten Bajuvaren, gezeigt werden, wie der Bajuvare in der Altsteinzeit sich den Herbstfeierlichkeiten hingab.

Das Bierzelt auf der Oidn Wiesen, die es seit 5 Jahren neu gibt.
Im Tradititonszelt. So lebten die Bayern früher.

Mir wurde, im zweiten Durchgang, bald nach den ersten 1000ml Bier klar, dass es doch recht angenehm ist, schon um zwöfe au’gsoffn z’sei. Nach weiteren 1000ml hörte ich, wie die Kapelle ein mir wohlbekanntes Volkslied aus den Donauauen spielte: Mariandl. Mir wurde seltsam wohl ums Herz und ich fühlte mich plötzlich wie zu Hause. Doch auch hier endete die Romantik abrupt um ca. 15 Uhr, als unser Tisch von anderen Horden überrannt wurde.

Ich habe am Oktoberfest 2019 null von 914 Straftaten begangen, keinen der 124 Ochsen gegessen, war betrunken, aber nicht einer der 414 Betrunkenen auf E-Scootern. Ich habe 8-10 der 7,3 Millionen Maß Bier getrunken. Zusammen haben wir es geschafft, knapp drei olympische Schwimmbecken voller Bier leerzusaufen. Da soll nochmal einer sagen, dass die Menschheit nichts erreichen kann, wenn alle zusammenarbeiten!

Jedoch gibt es auch weniger schönes zu berichten: Zur Festzeit steigt am Festgelände der Methanausstoß signifikant an. Wissenschaftler gingen mit einem Messrucksack durch das Gehege und nahmen lokale Messungen vor. Je näher sie den Zelten kamen, desto höher wurde die Konzentration. Was geht da vor? Piraten scheinen dann wohl keine dort zu sein …

PS: Auf der Wiesn: „oas-zwoa-drei-gsuffa“. Im Rest des Jahres: „oas-zwoa-gsuffa“.

 

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