Skeptics in the Pub Vienna: Ein Interview mit dem wissenschaftlichen Pirat-er der KdFSMÖ

Nudelige Grüße, Kirchengemeinde!

Das Monster hält für gläubige Pastafari allerlei Prüfungen parat. Um an Land und auf hoher See nicht die Orientierung und schon gar nicht den rechten Glauben zu verlieren, bieten sich den Pastafari verschiedene Orientierungshilfen an. Eine davon bedient sich der wissenschaftlichen Methode, um den Dingen auf dem Grund zu gehen und auf Herz und Nieren zu prüfen, bevor man Informationen als wahr annimmt, also “glaubt”. Diese traditionelle Methode der Orientierungsfindung erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Sie gehört zur geistigen Grundhaltung der Pastafari, ist aber längst nicht in allen Gesellschaftsschichten etabliert. Die Tücke liegt wie so oft im Detail. Wie wendet man die Methode “richtig” an, um die Prüfungen des Nudeligen Monsters zu bestehen? Gibt es nicht Abkürzungen, um nicht selbst alles erforschen zu müssen, sondern auf dem Wissen anderer aufbauen zu können, bevor man selbst den langen und beschwerlichen Weg der wissenschaftlichen Methode entlang wandelt? Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich (KdFSMÖ) hat sich zu diesem Behufe einen Stab an wissenschaftlichen Pi-Rater*innen zugelegt. Einer davon ist Stefan Uttenthaler, der bei der vergangenen Generalversammlung als wissenschaftlicher Pi-Rater der KdFSMÖ erneut bestätigt wurde.

Stefan ist seit vielen Jahren gläubiger Pastafari und hat schon viel Zeit vor der Kamera verbracht, um unseren Glauben darzulegen. Außerdem engagiert er sich in der Gesellschaft für kritisches Denken (GkD), der Wiener Regionalgruppe der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Unter anderem organisiert er dort die Vortragsreihe “Skeptics in the Pub Wien”.  PastaPress hatte die Gelegenheit, ihm dazu per Flaschenpost einige Fragen zu stellen.

PastaPress: Stefan, was sind die “Skeptics in the Pub”, was darf man sich darunter vorstellen?

Stefan: Die “Skeptics in the Pub” (SitP) sind ein Initiative, um die wissenschaftliche Methode, wissenschaftliche Erkenntnisse oder ganz allgemein wissenschaftliches Denken in der Bevölkerung zu verbreiten. Es handelt sich dabei um Vorträge und Diskussionen, die in lockerer Atmosphäre eben in einem Pub gehalten werden. Damit das Ganze nicht buchstäblich “staubtrocken” wie auf einer Uni vonstattengeht, ist bei allen Beteiligten durchaus ein Bier in der Hand erlaubt oder sogar erwünscht, und die Vorträge werden gerne mit einer guten Prise Humor serviert. Die SitP nutzen also die Tatsache, dass man Neues am besten lernt, wenn es Spaß macht, sprich es ist eine moderne Form des “Infotainment”. Die Initiative wurde eigentlich in England erfunden, wo es mittlerweile in jeder Stadt, die etwas auf sich hält, eine lokale Ausgabe gibt. Weil dabei auch Bier oder andere alkoholische Getränke genossen werden, gehe ich davon aus, dass das FSM Seine Tentakeln sehr wesentlich im Spiel hatte, als die “Skeptics in the Pub” erfunden wurden. Gelobet sei das FSM!

Ramen. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, SitP nach Wien zu holen? Von woher habt Ihr diese Idee auf piratische Weise besorgt?

Die Frage ist ganz richtig gestellt, denn zugegebenermaßen sind die “Skeptics in the Pub” nicht die Idee von uns Wiener Skeptikern, wir haben sie sozusagen gekapert. Wie gesagt kommt diese Initiative aus England und hat sich mittlerweile auch auf andere Länder ausgebreitet, vor allem im anglo-amerikanischen Raum. Ehrlicherweise muss man sagen, dass die SitP Wien nicht einmal die ersten im deutschsprachigen Raum sind. Die Kölner Regionalgruppe der GWUP war ein bisschen früher dran, von ihnen haben wir nicht nur die Idee übernommen, sondern auch jede Menge hilfreicher Tipps bekommen. Das Ganze läuft also unter dem Motto “Besser gut kopiert als schlecht selbst erfunden”. Dass SitP Wien nun schon im sechsten Jahr läuft, zeigt, dass es tatsächlich gut kopiert wurde. An dieser Stelle noch mal ganz herzlichen Dank nach Köln!

Was sind eure Ziele mit den “Skeptics in the Pub”?

Das generelle Ziel der Skeptiker ist es, Schaden von der Gesellschaft abzuhalten. Dabei kann es um gesundheitlichen, finanziellen, psychischen oder gesellschaftlichen Schaden gehen. Einige Beispiele: Einen gesundheitlichen Schaden riskiert man, wenn man schwerwiegende Erkrankungen wie etwa Krebs oder gravierende Verletzungen mit wirkstofffreien Zuckerkügelchen, besser bekannt als Homöopathie, “behandeln” will. Homöopathie wirkt schlicht nicht über den Placeboeffekt hinaus. Finanzieller Schaden entsteht, wenn man sich um viel Geld nutz- und wirkungslose Dinge wie eine Granderwasser-Anlage anschafft – ein aus dem Esoterikmilieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug. Psychischen Schaden richtet man an, wenn man als Elternteil seine Kinder in eine Persönlichkeits-Schublade steckt, weil man der kulturellen Massenwahnvorstellung anhängt, dass die scheinbare Position der Sonne relativ zu willkürlich definierten Sternkonstellationen zum Zeitpunkt der Geburt der Kinder irgendwie ihre Persönlichkeit beeinflussen würde. Gesellschaftlicher Schaden wiederum entsteht, wenn zu viele Menschen Verschwörungstheorien anhängen, wie etwa der Vorstellung, dass das aktuell zirkulierende Corona-Virus nur ein erfundener Vorwand wäre, um in Österreich und anderen Ländern eine Diktatur zu installieren, Bill Gates Impfungen propagiert, weil er damit allen Menschen einen Chip implantieren möchte, um sie zu kontrollieren, oder die Regierung 5G-Strahlung einsetzt, um unsere Gehirne zu brutzeln. Wenn zu viele Menschen einen solchen ausgemachten Unfug glauben, wird es sehr schwierig, große Herausforderungen wie etwa eine Pandemie oder den Klimawandel zu meistern, für die eine breite gesellschaftliche Kooperation nötig ist.

Mit der Vortragsreihe “Skeptics in the Pub Wien” verfolgen wir im Allgemeinen auch dieses Ziel, Schaden abzuwenden. Konkret geht es uns darum, die Neugier auf Wissenschaft und wissenschaftliches Denken bei möglichst vielen Menschen zu wecken, dabei die Einstiegshürde möglichst niedrig zu halten und mit unseren Vorträgen bzw. den Videos eine breite Wissensressource zu schaffen. Sehr viele Vortragsvideos sind schon in unserem YouTube-Kanal einsehbar, der auch für Pastafari eine willkommene Abkürzung sein kann, um auf das Wissen anderer zuzugreifen. Mich persönlich treibt ein Spruch von Erich Kästner an, der einmal gesagt hat: “An all dem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.”

Was waren eure bisherigen Highlights bei den SitP Wien?

Da gibt es so einige. Den größten Besucherandrang haben wir bei der bekannten deutschen Psychologin Lydia Benecke und ihrem Vortrag “Die Psychologie des Bösen” erlebt; bei ca. 110 Besuchern war der Saal zum Bersten voll. Auch hatten wir schon Science Buster Martin Moder (“Giftige Gene? Wie sinnvoll ist die Grüne Gentechnik?”) und Science Buster & Ig-Nobelpreisträgerin Elisabeth Oberzaucher (“Sex und Gender: Zwischen Biologie und Gesellschaft”) auf der Bühne. Mein persönliches Highlight war der Vortrag des Autors und Journalisten Mark Lynas mit seinem Vortrag “Anti-science and post-truth – climate change, GMOs and nuclear power”, den wir extra aus England einfliegen haben lassen. Ihn finde ich deshalb interessant, weil er aufgrund des Studiums von wissenschaftlicher Literatur seine Einstellung zu gewissen Themen, die ursprünglich von seinem sozialen Umfeld in der Umweltbewegung geprägt war, geändert hat. Er ist dadurch zur Einsicht gekommen, dass einige in der Bevölkerung weit verbreitete Ansichten wissenschaftlich schlicht nicht haltbar sind. In den bald sechs Jahren haben wir aber mittlerweile so viele gute Vorträge gehört, dass es echt schwer ist, Favoriten herauszupicken.

Du bist wissenschaftlicher Pi-Rater. Was macht man da? Wie hilfst du den Pastafari?

Das Monster hält allerlei Prüfungen für gläubige Pastafari parat. Da kann es schon mal schwierig werden, die Orientierung zu behalten, egal ob in komplizierten Lebenslagen an Land oder auf hoher See. Als wissenschaftlicher Pi-Rater möchte ich allen Pastafari zur Seite stehen und bei Fragen, auf die die Wissenschaft eine Antwort geben kann, eine Orientierungshilfe bieten. Ein Blick auf unsere Vortragsvideos kann schon einen Anhaltspunkt liefern, wie eine bestimmte Prüfung durch Anwendung der wissenschaftlichen Methode bewältigt werden kann. Das ist aber längst nicht abgeschlossen, es kommen laufend neue Themen hinzu. Als Pastafari kann man sich das zu Nutzen machen, indem man z.B. die Facebook-Seite der GkD abonniert, um auf dem Laufenden zu bleiben, oder bei ganz konkreten Anliegen die Skeptiker auch als Anlaufstelle für Fragen nutzt.

Kann man denn beides sein, religiös und skeptisch?

Eine sehr gute Frage – ich denke: Oh ja! Wir Pastafari haben nämlich nur ein Dogma, nämlich dass wir kein Dogma haben. Das verträgt sich doch wunderbar mit dem skeptischen Denken, mit dem man den Dingen auf den Grund geht und Dogmen hinterfragt. Tatsächlich gibt es Menschen aus der Wissenschaft, die gleichzeitig Anhänger einer anderen Religion als dem Pastafarianismus sind und an so einen “Gott” und andere seltsame Dogmen glauben, bei denen sie die wissenschaftliche Methode nicht anwenden. Meiner Meinung nach braucht man ein paar blinde Flecken, um das unter einen Hut zu kriegen. Wir Pastafari hingegen tragen statt blinder Flecken lieber eine ganze Augenklappe!

Vielen Dank und möge dich das Monster auch weiterhin auf all deinen Wegen begleiten! 

Ramen.

Ramen.

 

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