Von Nudeln, Fleischbällchen und Male Strippers – Teil 3

Eine queerfeministische Analyse der „Gospel of the Flying Spaghetti Monster” unseres Propheten Bobby Henderson

Verfasst von: Ordensgeschwisterchen Emil Eva Rosina, Gründungsmitglied des feministischen Ordens Les Femmes Farfalle der KdFSM Österreich

Verwiesen wird im ganzen Text auf folgende Ausgabe des Heiligen Textes: Henderson, Bobby: The Gospel of the Flying Spaghetti Monster. New York: HarperCollinsPublishers 2006.

Teil 2: hier.

Geschlechtsidentitäten

Die in der Nudeligen Schrift verwendete Sprache baut, soweit Geschlecht im Englischen ausgedrückt wird, durchwegs auf binären Geschlechtsidentitäten (also männlich und weiblich) auf (siehe Teil 4 zur Rolle von Frau und Mann in der Gospel). Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass es nur Piratinnen und Piraten geben könne. Das ist natürlich nicht der Fall. Zusätzlich beschützen die Nudeligen Anhängsel des Fliegenden Spaghettimonsters selbstverständlich das ganze Spektrum queerer Pirat*innen, also etwa: inter Personen (zwischen Mann und Frau), non-binary Freibeutende (die sich mit keinem der Geschlechter „Mann“ oder „Frau“ identifizieren) sowie agender Seeräuber*innen (ohne Gender). Das ist auch leicht aus der Gospel selbst zu schließen, zumal das Spaghettimonster für „All that is good“ (xiii) steht und sich außerdem gegen Diskriminierung ausspricht (vgl. 99).

Hoch diskutabel ist die Frage der Geschlechtsidentität des Monsters selbst: Einerseits verwendet der Prophet häufig das Pronomen „He“ für Es (vgl. Teil 2), andererseits kann das Monster kein Gender haben, da Es alles, inklusive Gender, selbst erst erschaffen hat. Die Erscheinungsform des Monsters hat Mitpiratin Dr.in Susan Johnston dazu veranlasst, dieses als intersexuelles oder transitioning Wesen zu lesen. Sie weist zurecht darauf hin, dass Es in Seinem Erscheinungsbild männlich und weiblich gelesene Aspekte vereint: Die Nudeln als Phallussymbole einerseits, die (in den meisten Darstellungen zwei) Fleischbällchen als Brüste andererseits (vgl. 147). Auch verwendet der Prophet das Wort „noodle“ synonym zu „Penis“ (vgl. 47, 93).

Gleichzeitig hat sich in der pastafarianischen Praxis neben „They“ auch „Quob“ als Pronomen etabliert, das ausschließlich für die Fliegende Nudeligkeit zu verwenden ist. Das könnte dahingehend interpretiert werden, dass das Monster ein weiteres Geschlecht hat, das bei Menschen nicht existiert oder noch nicht bekannt ist. Sollte letzteres der Fall sein, ist davon auszugehen, dass die*der nächste pastafarianische Prophet*in als Abbild der Nudeligkeit ebenfalls die Geschlechtsidentität hat, die dem Pronomen „Quob“ zuzuordnen ist. Schon aus Vorsicht, um die nächste Erleuchtung nicht zu verpassen, sollten daher Personen mit anderen Geschlechtsidentitäten als „Mann“ und „Frau“ besonders herzlich in unserer Mitte willkommen geheißen werden.

Sexuelle Orientierungen

Bezüglich der Diskriminierung von Personen mit anderer sexueller Orientierung als „hetero“ (also von Homosexuellen, Bisexuellen, Pansexuellen, Asexuellen, …) zeigt sich der Prophet in der Gospel erstaunlich situationselastisch. Explizit genannt werden nur Schwule (vgl. 11, 87, 122) und Lesben (vgl. 87, 122).

So wird auf derselben Seite zuerst Aristoteles in einem negativen Kontext als homosexuell bezeichnet und dann, wenige Sätze später, zu Widerstand gegen Richter*innen aufgerufen, die gleichgeschlechtliche Ehen verhindern wollen (vgl. 11). Das ist ein für das Monster typischer Widerspruch, mit dem Es unseren Glauben testen will.

Außerdem finden sich ebenfalls kurz hintereinander zuerst die irritierende Empfehlung „Find thee a wench [veraltet oder herablassend für „Frau“]! Or if you’re a wench, find thee a Pirate!“(87) (weil diese zusammenpassen würden wie Spaghetti und Sauce) sowie deren Rücknahme, die wiederum problematisch ist: „female pirates“ sollten sich einen kräftigen „male pirate“ suchen, (vgl. ebd.) gefolgt von der Problematisierung wiederum dieser Aussage in einer Fußnote: Gleichgeschlechtliche Pirates passen ebenfalls so gut zusammen wie Spaghetti und Sauce, da das im Pastafarianismus „perfectly acceptable“ ist (vgl. ebd.).

So entwickelt sich in unserem Glaubenstext aus einer für sich genommen in mehrerlei Hinsicht diskriminierenden Aussage durch Widerspruch bzw. Revision eine etwas weniger problematische, die wiederum relativiert wird. Diese Strategie mit Bekenntnis zur Widersprüchlichkeit und Fehlerhaftigkeit ist einzigartig für das Monster und Seine Offenbarung. Der nächste Schritt der Revision wird von dem FSM von uns durch selbstständige Reflexion nach Seinem Muster erwartet: Selbstverständlich ist es genauso in Ordnung, sich gar keine*n Partner*in zu suchen.

Bei den Strategien zur Bekehrung Andersgläubiger empfiehlt der Prophet, alte homosexuellenfeindliche Leute mit dem Argument zu überzeugen, dass im Pastafarianismus viel weniger schwule Pfarrer tätig sind als in der katholischen Kirche (vgl. 122). Ältere Frauen im besonders konservativen US-„bible belt“ seien selbst als „alcoholics and raging lesbians“ bekannt (vgl. ebd.). Hier zitiert Es bewusst Stereotype, was im Licht der allgemeinen Missionierungsstrategie zu sehen ist, dass wir Pastafari die Methoden der jeweiligen vorherigen Religion der Missionierungszielpersonen anwenden können (vgl. 119-134). Da im Christentum Homosexuelle seit jeher bis hin zu Mordaufforderungen diskriminiert werden, wird Christ*innen nun selbst vorgeworfen, schwul bzw. lesbisch zu sein. (In der Praxis ist diese Missionierungsstrategie nicht zu empfehlen.)

 Teil 4: hier.

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